In den 1980er Jahren übernahmen im Grossraum um Stuttgart und Frankfurt zahlreiche Städte, Gemeinden und Landkreise Patenschaften für S-Bahnfahrzeuge. Damit wurde vorallem die Bedeutung des S-Bahnsystems für die angeschlossenen Kommunen unterstrichen. Sie hatten nicht zuletzt durch die S-Bahn eine zusätzliche Aufwertung an Lebensqualitiät und wirtschaftlicher Bedeutung erreichen können. Auch wenn das Schlagwort des "Standortvorteils" zu jener Zeit noch kein allgemein gebräuchlicher Begriff war, so war es genau das was die S-Bahnen den Städten und Gemeinden brachte. Neben der messbaren Leistungsfähigkeit des neuen S-Bahnangebots, kam noch eine emotionale Komponente hinzu welche wohl den restlichen Anstoss zur Patenschaft gab: Die ET420 waren als "Leistungsträger" gleichzeitig moderne und gefällige Fahrzeuge, die sich für beinahe jede Gelegenheit gut herzeigen liessen. So konnte sich eine aufstrebende Kommune, sei es nun eine Stadt, eine Gemeinde oder auch nur ein Stadtteil, mit einem Sinnbild des Fortschritts in Form eines modernen Triebzugs schmücken.
In Bietigheim-Bissingen wartet 420 916 (B-Wagen) auf die Rückfahrt nach Stuttgart.
An diesem Juliabend 1994 zeigte er noch stolz das Wappen seiner Patenstadt Leonberg.
Foto: Dirk Mattner
Der ET420 hat im laufe der letzten Jahrzehnte zwar nichts an seiner markanten Erscheinung eingebüsst, dennoch versinnbildlicht er jetzt nicht mehr den Zug der Zukunft. Die Interessen der Kommunen richten sich schon seit längerem auf andere Möglichkeiten, sich in einem guten Lichte darzustellen. Die Bundesbahn, welche nun schon längst zu einer gewinnorientierten "Bahn AG" mutiert ist, hat ihrerseits kein Interesse mehr an Symbolen der Verbundenheit mit den Kommunen, welche nun mittlerweile geschlossen als Kunde dem Verkehrsunternehmen gegenüber stehen. So ist die Fahrzeugpatenschaft schon seit Jahren ein auslaufendes und bald schon vegessenes Kapitel der S-Bahnen an Rhein und Neckar.
An den neuen, mit ihren frischen leuchtend-orangen und kieselgrauen Farben so herrausragenden Triebzügen prangten in den achtziger Jahren an Führerstandstüren die stolzen Wappen zahlreicher "S-Bahn-Anlieger". Noch in die neunziger Jahre hinein konnte die Patenschaftsidee herrüber gerettet werden. So kamen einige, bereits in den neuen "Produktfarben S-Bahn" lackierten 420er der 7. und 8. Bauserie in Stuttgart zu der Ehre einer Patenschaft. Erst mit der Einführung des "DB Regio" Farbkonzepts war es um die Wappenvielfalt geschehen.
Die Patenschaft war in den Jahren zuvor auf dem guten Wege sich zu einer richtigen Tradition zu entwickeln. Nun war einer weiteren Enwicklung ein Riegel vorgeschoben wurde, aus der Sicht der Bahn vielleicht noch rechtzeitig. Ein paar Jahre süäter hätte es vielleicht schon bei dem Vorhaben unmutsbezeugungen Seitens der Öffentlichkeit geben können. So etwas kannte man ja aus echten Traditionsbetrieben wie in Berlin oder Hamburg, dort ist so manches liebgewordens schon zur Institution geworden. Der "innovative" Unternehmer sieht durch so etwas gerne für sich die Gefahr der Einengung seines Spielraums aufkommen.
Also keine Wappen mehr? Keine "Hoheitszeichen" mehr, die aus einem beliebigen Fahrzeug ein ganz spezielles, mit einer Herkunft, einer "Hoimat" - also einer Zugehörigkeit, gar einer emotionalen Verbundenheit machte?
Kein Wiedersehen mehr mit "unserem" Schorndorfer, Höchster oder Niedernhauserner mehr?
Es sieht so aus, doch die Idee hat dennoch überlebt:
Nur läuft es nun mehr auf das gemeinsame Logo hinaus. So sind seit 1999 nahezu alle Stuttgarter S-Bahnzüge zwar ihrer ganz persönlichen Wappen beraubt, dafür erhielten alle Fahrzeuge an gleicher Stelle das Logo des "Verbandes Region Stuttgart".
So ist ist trotz dieser Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes eine neue Stuttgarter Identität geschaffen worden.
Natürlich nur ein schwacher Trost für alle die, den die Wappenfahrzeuge ans Herz gewachsen waren.
Frankfurt ist heute noch das einzige Einsatzgebiet in welchem noch Patenschafts-Fahrzeuge anzuteffen sind. Der kurioseste ist dabei sicherlich die Einheit 420 338, welche mit dem Wappen des schwäbischen Böblingen unterwegs ist. Der Triebzug kam noch vor der Klebeaktion mit den "Region Stuttgart"-Logos an den Main. Hier wartet man einfach die Umlackierung in verkehrsrot ab, die dann das entgültige Ende der Individualität unter den 420ern bringt.
Nicht unerwähnt bleiben darf die Würdigung jener Plochinger Triebzüge die 1992 bei der Eröffnung der neuen Münchener Flughafenbahn aushalfen. Diese 420er der 7. Bauserie wurden neben der Führerstandstür mit dem Wappen Münchens versehen. Noch heute kann man mit ein wenig Glück dem Münchner Kindl im Stuttgarter S-Bahnnetz begegnen. Augen auf!