Freitag, der 14.Oktober 2005: Es erhält Einfahrt in Stuttgart Hbf, Gleis 1, der S-Bahntriebzug der Baureihe ET420Plus!
Als hätte tatsächlich die "ET420-Tuning Group" zugeschlagen, so zeigt 420 400 ein ganz neues Profil. Auffallend ist die recht groß dimensioniert erscheinende Klimaanlage auf dem Dach, direkt über dem Führerstand. Doch neben dieser Neuerung kennzeichnen besonders die beiden unteren Spitzenlichter die wohl einschneidendste Zäsur im gewohnten Erscheinungsbild der Baureihe 420.
Fotos: Markus O. Robold
Das werden viele 420er Fans wohl als schweren Schlag empfinden, doch an "ET420Plus" wird wohl kein Weg vorbeiführen, soll dieser nicht in absehbarer Zeit für alle Fahrzeuge dieser Baureihe auf dem Schrottplatz enden. Bevor die Diskussion zu den Fahrzeugen entbrennt, müssen einige grundsätzliche Aspekte beleuchtet werden.
1. Die Prinzipien in der Nahverkehrspolitik haben sich in den letzten Jahren, genauer, seit etwa 10 Jahren gewandelt. Das Stichwort "Wettbewerb" zeichnet dabei wohl die größte Veränderung in dieser Politik aus. Die Frage, wer sich wohl für die Durchführung des S-Bahn Verkehrs verantwortlich zeichnet, wird nicht mehr selbstverständlich mit dem Namen "Deutsche Bahn" beantwortet. Es wird auch nicht mehr in der Abstimmung zwischen Bund, Land und Gemeinden entschieden, wie der Nahverkehr zu gestalten ist. Diese Träger stellen nunmehr die Mittel, die dann zumeist vor Ort von beauftragten Zweckverbänden oder Nahverkehrsgesellschaften im Sinne der Region verwaltet werden.
So liegt es in der Hand dieser Institutionen, für den Bürger das beste Nahverkehrsangebot auszuhandeln und betreiben zu lassen. Soweit zu der Idealvorstellung.
Es bedeutet aber auch, das der scheinbare Zwang bei diesen Institutionen geweckt wird, dem Bürger stets das neueste anzubieten. Getrieben von der Vorstellung das "Neu" gleich "Gut" bedeutet, werden auch bewährte Strukturen und Einrichtungen im schlimmsten Fall aufgegeben. Es droht zugunsten der kurzzeitig "guten Presse" vor der Öffentlichkeit das Augenmaß für das Notwendige und Nützliche verloren zu gehen.
2. Unter diesen beschriebenen Gesichtspunkten ist umso mehr zu begrüßen, dass in Stuttgart versucht wird, diesen Trend ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Es wird zumindestens nach einer längeren Phase der "Neubaupolitik" die Anstrengung unternommen, auch die "Substanz" des bestehenden Angebots zu pflegen.
Das auch aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen, wenn man sich das Durchschnittsalter der in Plochingen beheimateten 420er ansieht. Es stehen dort sogar Fahrzeuge im Wagenpark, die bereits ab Mitte der 90er Jahre nach den neuen Spielregeln der Nahverkehrspolitik angeschafft und finanziert wurden.
Es gilt diese Werte zu erhalten um zum Wohl der Allgemeinheit zu nutzen.
3. Die Deutsche Bahn ist nicht die Deutsche Bundesbahn.
Dieser einfache Satz beinhaltet, was die Baureihe 420 betrifft, große Brisanz.
Das deshalb, weil die DB AG die meisten der im Einsatz befindlichen 420 nicht selbst finanzieren musste und so nicht in Abschreibungszeiträumen rechnen muss. Sollte sich bereits morgen kein 420 mehr bewegen, so ist dies - zumindestens auf dem Papier - für die DB kein Verlust ihrer Investitionen. Dies gilt übrigens ab sofort nicht mehr für 420 400 und 420 416!
Desweiteren betrachtet ein (wenigstens nach außen) privatwirtschaftlich handelndes Unternehmen wie die Deutsche Bahn, ihre Fahrzeuge in erster Linie nach den gleichen Kriterien wie die Besteller. Diese Kriterien wurden bereits unter Punkt 1 beleuchtet.
Es gilt der im süddeutschen Raum weithin bekannte Satz, dass derjenige "die Musik bestimmt" der auch "die Kapelle bezahlt".
In Anbetracht dieser Aspekte ist auch der DB positiv zuzugestehen, dass sie sich für einen Erhalt einer bewährten Baureihe einsetzt. Der Wehrmutstropfen dabei ist die Tatsache, dass sie diese Anstrengungen nur auf die neuesten Generationen mit den 400er Nummern beschränkt.
Die Ansicht, das auch die Substanz der erst 25 Jahre alten Fahrzeuge der 5. und 6.Bauserie solche Maßnahmen rechtfertigen könnten, teilt man dort scheinbar nicht.
Diese Einschätzung gilt übrigens verblüffender weise wiederum nicht für die ebenso alte Gleichstromverwandtschaft in Hamburg. Bei die Baureihe 472 ist gerade erst jetzt das umfangreiche Redesign Programm erfolgreich abgeschlossen worden.
Soweit zu den Aspekten.
Nun noch eine Anmerkung des Autors dieser Zeilen zu den umgebauten Fahrzeug:
Die Spitzenlichter sind der gravierendste Eingriff in die Erscheinung des 420. Gefolgt wird dies durch den sehr wuchtigen "Helm" über dem Führerstand. Die Belüftungsanlagen fallen natürlich aus ferner und mittlerer Distanz dem Betrachter noch stärker auf. Auch sie verändern die bislang recht schlanke Form der einstmals mit "eleganter Formsprache" umschriebenen Baureihe.
Nimmt man die Dachaufbauten nur in bestimmten Situationen wahr, so sind die neuen Spitzenlichter stets ein Charakteristikum des Fahrzeugs. Im gestalterischen Sinne ist genau dieser Bereich, der das "Gesicht" eines Fahrzeugs entscheidend prägt, die sensibelste Stelle die kaum geschmackliche Fehlgriffe verzeiht.
Das die Form dem Zweck nachstehen muss, ist zwar eine Binsenweißheit, doch gerade die Baureihe 420 hatte in den vergangenen 36 Jahren bewiesen, das erst die richtige Ausgewogenheit zwischen Form und Zweck ein Fahrzeug wirklich perfekt macht.
Die Hoffnung auf eine Nachbesserung in genau diesem Bereich sollte noch nicht aufgegeben werden.
Am Ende soll ja schliesslich ein "Plus" stehen.
Externer Link zu einer Bilderschau:
»
ET420 Plus auf www.t-anschnur.de
Welche Neuerungen ET420Plus nun im einzelnen mit sich bringt, wird an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich beleuchtet.
Jetzt gilt es erstmal die neuen Eindrücke auf sich wirken zu lassen.
Viel Erfolg
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