Bei der Baureihe 420, so könnte man unterstellen, muss es sich als ein für das deutsche Bahnstromsystem (15 kV Wechselstrom bei 16 2/3 Hz) konzipierten Triebzug zwangläufig um ein "Wechselstrom-Fahrzeug" handeln. Dieser Schluss greift allerdings viel zu kurz. Beim ET420 handelt es sich strenggenommen um ein mit Gleichstrom betriebenes Fahrzeug.
Obwohl das Fahrzeug natürlich den bereits oben erwähnten Wechselstrom aus dem Bahneigenen Stromnetz bezieht, wurde bei der Entwicklung des 420 nicht auf die betriebs- und leistungstechnischen Vorteile von Gleichstrommotoren verzichtet. Mittels im Fahrzeug installierter Transformatoren und Gleichrichter wird vor Ort das gewünschte Stromsystem für den Antrieb erzeugt.
Eine Einheit der Baureihe 420 verfügt über 12 Motoren, was bedeutet dass jede Achse mit einem Motor bestückt ist (Allachsantrieb). Diese über alle Achsen gleichmäßige Antriebsleistung ist die Grundvoraussetzung für die Leistungsfähigkeit als typisches S-Bahnfahrzeug, die sich durch ein starkes Beschleunigungsvermögen auszeichnet. Daneben kann neben dem raschen Beschleunigungsvermögen auch eine recht hohe Reisegeschwindigkeit erreicht werden, die vergleichbare Nahverkehrsfahrzeuge im stadtnahen Bereich weit übertrifft. Die hohe Anzahl an Fahrmotoren pro Triebzug hat dazu noch weitere Vorteile, wie z.B. die baulich kleinere Dimensionierung der Motoren durch die bessere Leistungsverteilung, was den Einbau unterhalb der vorgegebenen Fußbodenhöhe ermöglichte. Nicht zu vergessen ist die Erhöhung der Ausfallsicherheit bei versagen eines oder sogar mehrerer Motoren.
Gleichstrommaschinen müssen um in Bewegung zu kommen allerdings erregt werden. Hierzu ist bei größeren Motoren im Stator, also im feststehenden Teil des Motors, eine Spule vorhanden, die ein magnetisches Feld erzeugt. Sie wird daher auch Feldwicklung oder auch ganz einfach "Feld" genannt. Im beweglichen Teil des Motors, dem Rotor, sind in einem Blechpaket ebenfalls Wicklungen vorhanden, die über einen Stromwender, den sogenannten Kommutator, bestromt werden. Dieser Kommutator ist so aufgebaut, dass die Polung der Wicklungen des Rotors so gewechselt wird, dass immer die Wicklungen von Strom der entsprechenden Richtung durchflossen werden, die sich quer zum Erregerfeld bewegen. Der Rotor wird umgangssprachlich auch Anker genannt, seine Wicklung auch Ankerwicklung.
Herkömmliche Fahrmotoren bei Elektroloks sind als Reihenschlussmotoren ausgeführt, was bedeutet, dass hier die Feldwicklung in Reihe zur Ankerwicklung liegt. Diese Motoren haben ein hohes Anzugsdrehmoment, ihre Drehzahl ist aber stark lastabhängig (dieses Verhalten nennt man Reihenschlussverhalten).
Im Gegensatz hierzu ist für andere Anwendungen auch der Nebenschlussmotor gebräuchlich, bei diesem liegt die Feldwicklung parallel zur Ankerwicklung. Diese Motoren haben ein geringeres Anzugsdrehmoment als Reihenschlussmotoren, ihre Drehzahl sinkt aber bei Belastung nicht so stark ab. Eine Verbindung der Vorteile dieser beiden Bauarten ist der Doppelschluss- oder Compoundmotor. Bei ihm ist eine Feldwicklung in Reihe und eine parallel zur Ankerwicklung geschaltet. Er hat ein relativ hohes Anzugsdrehmoment und eine relativ stabile Drehzahl.
Motoren mit einer Nebenschlusswicklung können auch fremderregt werden, was bedeutet, dass die Spannung in der Feldwicklung unabhängig von der Spannung der Ankerwicklung geregelt werden kann. Bei Neben- und Doppelschlussmotoren ergibt eine hohe Spannung in der Feldwicklung eine niedrige Drehzahl und ein hohes Drehmoment. Wird die Feldspannung bei gleichem Ankerstrom gesenkt, so steigen Drehzahl und Ankerstrom während das Drehmoment sinkt. Man spricht hier von einer Feldschwächung.
Als Fahrmotoren kommen beim ET 420 sogenannte "Mischstrommotoren" zum Einsatz, bei denen es sich technisch gesehen um Gleichstrommotoren mit einer Reihenschlusswicklung und einer zusätzlichen fremderregten Nebenschlusswicklung (also eine Art Doppelschlussmotor) handelt, die mit pulsierender Gleichspannung betrieben werden.
Fazit
Zwar hat seit den 90er Jahren des 20. Jahrhundert bei Antrieb und Motoren die Drehstromtechnik mit allen ihren Vorteilen den Siegeszug angetreten und sich im Fahrzeugbau elektrischer Triebzüge endgültig durchgesetzt, dennoch sollte die Leistungsfähigkeit der für den ET420 entwickelten Antriebstechnik mit ihren Motoren nicht gering geschätzt werden. Die Baureihe 420 setzte bei ihrer Entwicklung seinerzeit einen herausragenden Meilenstein in der Antriebstechnik. Die bis heute ungebrochene Leistungsfähigkeit der Baureihe 420 im täglichen S-Bahnbetrieb unterstreicht dies eindrucksvoll. Ziemlich sicher ist allerdings auch die Annahme, dass auch die Baureihe 420 seinerzeit auf jeden Fall als Drehstromfahrzeug konzipiert worden wäre, hätte das System bereits die technische Reife gehabt, welches es erst ca. 20 Jahre später erreichte.
(mw/dm)
Stand:10.2008