Auch beim 420 in seiner Eigenschaft als elektrischer Triebzug wird die Stromversorgung erst durch die Einrichtung eines Stromabnehmers möglich. Sowohl die Schienen wie auch der Fahrdraht der Oberleitung bilden die beiden Pole welche bei einer Spannung von 15.000 Volt mit einer Frequenz von 16 2/3 Hz ständig wechseln. Der Stromabnehmer überbrückt den Sicherheitsabstand zwischen Fahrdraht und Fahrzeug und ermöglicht somit eine kontrollierte Schließung des Stromkreises im Bereich der Transformatoren.
Bei der Übertragung einer solch hohen Spannung zwischen dem dünnen Kupferdraht der Fahrleitung und dem Schleifbügel des Stromabnehmers müssen für einen optimalen Betrieb einige Kriterien erfüllt werden. Der Stromabnehmer muss bei jeder Geschwindigkeit am Fahrdraht anliegen um eine gleichbleibende Stromversorgung zu gewährleisten. Löst sich der Schleifbügel vom Fahrdraht während der Stromkreis geschlossen ist, kommt es in der Regel zu einem sog. Lichtbogen, durch den kurzzeitig hohe Ströme über die Luft den entstandenen Abstand überbrücken. Ein Lichtbogen kann im ungünstigsten Fall durch die entstehende Hitze und/oder durch die kurzzeitig auftretenden Kräfte den gespannten Fahrdraht abreißen lassen oder den Schleifbügel beschädigen.
Zur Vermeidung dieses gefährlichen Effekts sollte der Anpressdruck des Stromabnehmers stets groß genug bleiben damit die Schleifleiste immer am Fahrdraht anliegt. Bei einem zu hohen Anpressdruck kann es zu einer schnellen und erheblichen Abnutzung der Schleifleisten kommen. Die schlimmste Folge davon kann ein sog. Schleifleistenbruch sein, der wiederum zumeist dafür sorgt dass neben der Beschädigung des Stromabnehmers auch der Fahrdraht abgerissen werden kann.
Bauarten
Unter den vielen Konstruktionsarten von Stromabnehmern haben sich sowohl in Deutschland wie auch Weltweit die Bauartprinzipien der sog. Scheren- und Einholmstromabnehmer durchgesetzt. Der Trend der vergangenen Jahrzehnte gibt dem Prinzip des Einholmstromabnehmers den eindeutigen Vorzug.
Vorreiter in der Verwendung dieses Bauartprinzips bei der Deutschen Bundesbahn war Anfang der 70er die neu erschienene Baureihe 420 gewesen. Vorangegangen waren Testphasen in den 60er Jahren mit einigen Versuchsbauarten, mit denen zeitweise zwei Loks der Baureihe 110 und zwei der Vorserien 103er ausgestattet waren. Die erste Serienbauart mit der Typenbezeichnung SBS 67/25 erschien dann mit den ersten drei Vorserienfahrzeugen 420 001 bis 420 003.
Die Bezeichnung SBS steht für "Siemens-Bahn-Stromabnehmer". Die Nummer kennzeichnet das Entwicklungsjahr. In diesem Falle das Jahr 1967. Neben der Bauart "Siemens" existiert noch die Bauart "Dozler" (Dozler-Bahn-Stromabnehmer, kurz: DBS) und "Dornier" (Dornier-Bahn-Stromabnehmer, kurz: DSA, Hersteller: Stemann-Technik).
In dem Ausrüstungsteileverzeichnis für den ET420 blieb bis heute die Bauart SBS 67/25 verzeichnet. Typenschilder beim 420er verwendeter Stromabnehmer zeigen aber teilweise auch die Bauart SBS67/70 an. Bei der Baureihe 420 ist zwar auch die Verwendung eines ähnlichen Typs der Bauart DBS erlaubt, dennoch kommen bislang ausschließlich die Siemens-Bügel zur Anwendung. Andere Stromabnehmer wie z.B. DSA 200 (der nunmehr bei Loks der Baureihe 143 verbaut wird) gibt es beim 420 bislang nicht. Die Bauart SBS 67 wurde nach den positiven Erfahrungen bei der Baureihe 420 alsbald auch bei den Loks der Baureihe 111 und 181 verwendet. Bei der Baureihe 111 kommen allerdings auch Einholmbügel der Bauart SBS 65 und sogar Scherenstromabnehmer vor.
Funktionsbeschreibung SBS 67
Wegen der relativ geringen Höchstgeschwindigkeit der ET 420 ist dieser Stromabnehmer verhältnismäßig einfach aufgebaut. Er besteht nur aus Rahmen, Unterarm, Oberarm, Lenkerstange, Wippenführung, Wippe, zwei Schleifstücken und den Hubfedern. Stoßdämpfer und ähnliche Einrichtungen sind nicht vorhanden. Zum Heben des Stromabnehmers dienen wie bei allen älteren Stromabnehmertypen die am Grundrahmen angebrachten Hubfedern, die nach Freigabe durch den Senkantrieb auf den Unterarm des Stromabnehmers wirken und diesen nach oben ziehen. Durch die Lenkerstange wird sichergestellt, dass sich auch der Oberarm gleichmäßig mit anhebt. Zum Heben wird Druckluft in den Zylinder des Einheitssenkantriebs (ist auch bei vielen E-Loks eingebaut) gegeben. Dort überwindet sie die Kraft der Senkfeder und gibt über eine Schubstange den Stromabnehmer frei. Beim Senken entweicht die Luft aus dem Senkantrieb und die starke Senkfeder überwindet die Kraft der Hubfedern und zieht den Stromabnehmer über die Schubstange wieder nach unten.
Um beim Absenken des Stromabnehmers den weiter oben beschriebenen unerwünschten Effekts eines Lichtbogens zu vermeiden, sind die Lokführer angehalten vor der Betätigung des Schalters "Senken / Heben" den Haupttrennschalter zu betätigen, welcher den Stromkreis sicher trennt.
Anzahl pro Einheit
Auf den Mittelwagen der Triebzüge ET420/421 waren bis zur 6. Bauserie ursprünglich zwei Dachstromabnehmer der Bauart SBS 67 montiert. Später wurden dann im Rahmen von Revisionen bei den meisten Fahrzeugen die zweiten Stromabnehmer (i.d.R. am Wagenende B über der 1.Klasse) demontiert. Diese kamen dann bei der 7./8. Bauserie zum Einsatz, die von Anfang an mit nur einem Stromabnehmer ausgestattet wurde.
Im ersten Einsatzjahrzehnt wurde bei der Verwendung der beiden Stromabnehmer im Fahrbetrieb in gleicher Weise verfahren, wie es zumeist bei den Elektroloks der Fall ist: Der von der Zugspitze ausgesehen zweite Stromabnehmer sollte dabei stets angelegt sein. Damit wurde einerseits durch den regelmäßigen Wechsel eine gleichmäßige Abnutzung beider Stromabnehmer gewährleistet. Anderseits konnte damit auch der Sicherheitsaspekt berücksichtigt werden, der besagt dass ein abreißender Stromabnehmer nicht auch noch die Gelegenheit bekäme die Dachinstallation und den zweiten Stromabnehmer mit zu beschädigen. In diesen Jahren war es also noch üblich, dass bei der Wende am Endbahnhof der zweite Stromabnehmer angehoben wurde um sodann den ersten senken zu können. Das Bild von zwei gleichzeitig angelegten Stromabnehmern war damals an den Wendepunkten ein alltägliches.
Der aufkommende Spargedanke in den 80er Jahren führte zu der "Ein-Stromabnehmer-Politik" beim ET420. Die Wechsel an den Endbahnhöfen entfielen, selbst wenn die Fahrzeuge noch zwei Stromabnehmer auf dem Dach besaßen. Eine kurze Renaissance erlebte die "Zwei-Stromabnehmer-Philosophie" mit den X420 in Schweden. Dort forderte man aus Gründen einer höheren Ausfallsicherheit zwei Stromabnehmer pro Fahrzeug. Besonders bei Frost werden die Schleifleisten enorm strapaziert. Da dieser in den nordischen Breiten nochmals intensiver und länger ausgeprägt ist, wird die Forderung nach einer doppelten Absicherung recht schnell nachvollziehbar. Das Vorhandensein von zwei Stromabnehmern pro Fahrzeug führte aber nicht zwangsläufig zu der alten Verfahrensweise aus früheren Bundesbahnzeiten. In Stockholm wurden die Stromabnehmer ganz nach dem individuellen Geschmack des jeweiligen Tf angehoben oder eingezogen. Es konnte sogar vorkommen, dass man 420er mit zwei gleichzeitig angehobenen Stromabnehmern im Fahrbetrieb bestaunen konnte. Dennoch geschah dies recht selten.
Heute gibt es zumindest bei der S-Bahn Rhein-Main und S-Bahn Rhein-Ruhr noch ein paar wenige Exemplare der Baureihe 421 zu bewundern, die noch in der Ursprungsausführung mit zwei Stromabnehmer im Einsatz sind. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass natürlich auch bei dem Museumsfahrzeug 420 001 immer noch die ursprüngliche "Vollversion" das Dach ziert.